Image may be NSFW.
Clik here to view.Soll der Arzt einem schwerkranken Todeswilligen bei der Selbsttötung assistieren dürfen? Oder bietet die Palliativmedizin ausreichende Möglichkeiten, den Wunsch nach einem Lebensende in Würde zu ermöglichen? Das WDR-Funkhausgespräch lässt dazu den Palliativmediziner Professor Lukas Radbruch (Chefarzt am Malteser Krankenhaus Seliger Gerhard Bonn und Direktor der Klinik für Palliativmedizin der Universitätsklinik Bonn) und den Philosophen Professor Jan-Pierre Wils (Universität Nimwegen) diskutieren.
Wer sich eine eigene Meinung bilden möchte, findet in der höchst informativen, sehr sachlichen und zum Teil kontroversen Diskussion die wesentlichen Positionen zum Nachhören und Nachdenken. Schnell ist klar: Die Diskussion über eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe wirft zwangsläufig die Frage auf, wie wir in unserer Gesellschaft mit Tod und Sterben generell umgehen. Drei Aspekte sind meines Erachtens entscheidend:
Erstens: Der rasche und konsequente Ausbau der Palliativversorgung muss kommen: Weil sie Leiden lindern und Hilfen geben kann, und weil von fünf Menschen, die eine palliative Behandlung am Lebensende wünschen, derzeit nur einer diese auch tatsächlich erhält. Parallel dazu sind auch die niederschwelligen Begleitungsangebote der Hospizdienste sind in weitaus größerer Zahl und Dichte vonnöten.
Zweitens: Am Lebensende haben wir vor weitgehend unbeherrschbaren Schmerzen und davor, Kontrolle über das zu verlieren, was um uns herum geschieht. Insbesondere weil wir wissen, dass dritte große Sorge am Lebensende ist, den eigenen Angehörigen im Prozess des Sterbens nicht zur Last zu fallen, wäre es zu kurz gedacht, das elementare Selbstbestimmungsrecht des Menschen mit einem „Recht auf Tötung auf Verlangen“ erfüllt zu sehen, Wir sollten zunächst vor allem dem Patienten zu seinem Recht verhelfen, indem wir aufklären, Patientenverfügungen auch beachten.
Schließlich: Die Frage, wie wir für todkranke Menschen sorgen, ist nicht nur eine ethische, sondern in der Tat auch eine politische. Die Angst, auf unwürdige Art sterben zu müssen, zeigt auch, wieviel an der Betreuung älterer und sterbender Menschen verbessert werden muss. Auch dies klingt in der Diskussion an: Inwieweit ist in unserer Gesellschaft noch ein Generationenvertrag möglich ist, der nicht ständig aus Kostengründen aufgekündigt zu werden droht? Ein respektvollen Umgang mit alten, kranken und sterbenden Menschen sollten wir uns nicht nur leisten wollen, sondern uns dafür einsetzen – schon im ureigenen Interesse. Eine Kultur, die sich dem Menschlichen verpflichtet fühlt, gründet sich nicht zuletzt auf dem Einsatz für die schwächsten Mitglieder – das sind die an Geist, Psyche und Physis Gebrechlichen. Können wir diese nicht schützen und verfallen wir der Suggestion, dass Glück und Zufriedenheit über Leistung zu gewinnen seien, gewinnen kühle Kosten-Nutzen-Kalkulationen die Oberhand. Wer aber wünscht sich eine solche Gesellschaft?
Das WDR 5-Funkhausgespräch (Erstsendung am 6.2.2014) hören Sie hier als Podcast oder MP3-Download.